Diese Kritik erschien ursprünglich auf www.starplayers.de

Deutsche Komödien, das ist schon immer ein schwieriges Thema. Doch nachdem zuletzt bereits Lommbock voll ins Schwarze getroffen hat, versucht sich nun Lars Montag bei seinem Kinodebut daran, neuen Schwung in die deutsche Kinolandschaft zu bringen.

Einsamkeit und Sex und Mitleid erzählt in sich überschneidenden Episodengeschichten aus den Leben verschiedenster mehr oder weniger gebrochener Gestalten, deren Probleme sich im weitesten Sinne um die titelgebenden Eigenschaften drehen. So zum Beispiel der ehemalige Lehrer Ecki (Bernhard Schütz), der nach Vergewaltigungsvorwürfen von Schülerin Swentja (Lilly Wiedemann) gefeuert wurde und nun ein Ventil sucht, um seine Wut rauszulassen. Swentja selbst muss sich unterdessen zwischen dem religiösen, schüchternen Johannes (Aaron Hilmer) und dem etwas direkteren Mahmud (Hussein Eliraqui) entscheiden. Letzterer wiederum hat eine Begegnung mit Polizist Thomas (Jan Henrik Stahlberg), der neben seinem latenten Rassismus auch noch versucht, seine Kollegin Carla (Friederike Kempter) von ihm abhängig zu machen. Dazu kommen noch einige weitere Handlungsstränge, einer brisanter als der andere.

Nun könnte man auf die Idee kommen, dass der Film doch nun nur wieder die gleichen Themen warmkocht, die in jeder zweiten deutschen Komödie verwurstet werden. Doch das täuscht, denn wo die meisten deutschen Komödien mit Matthias Schweighöfer & Co. beispielsweise Sex als Mittel für billige Zoten sehen und Rassismus höchstens mit erhobenem Zeigefinger erwähnen, kommt Einsamkeit und Sex und Mitleid als bitterböse Satire auf die heutige Gesellschaft und ihr soziales Zusammenleben. Pointen sind hier niemals vulgär, sondern immer zielgerichtet und mit einem wahren Kern versehen. Tabus kennt der Film allerdings keine, selbst Helmut Krausser, Autor der Buchvorlage, betrachtete einige Szenen als kontroverser als er es sich im Buch getraut hatte. Dieser beweist bei der Story eine gute Beobachtungsgabe, ein Auge für kuriose Situationen und großen Ideenreichtum. Das fängt beim Titel an, der sich elegant ins Versmaß der Nationalhymne einschmiegt und so direkt verrät, worum es hier geht: Einsamkeit. Sex. Mitleid. Deutschland. Auch kommt durch die vielen verschiedenen Handlungstränge nie Langeweile auf und die zahlreichen Momente, in denen sie sich kreuzen, sehr gut umgesetzt. Eine tolle, frische Art, eine Komödie zu erzählen. 

Eine funktionierende Teamleistung

Doch ein solcher Film funktioniert nicht ohne gute Schauspieler. Hervorheben kann man in diesem Ensemble eigentlich keinen, denn auch wenn Leute wie Bernhard Schütz (Halt auf freier Strecke) oder Rainer Bock (Inglourious Basterds) sicherlich durch großartige Performance auffallen, ist das ganze doch vor allem eine Teamleistung. Die Darsteller gehen hier im wahrsten Sinne ans Äußerste, nicht wenige müssen hier ab und an auch mal komplett die Hüllen fallen lassen. Dazu wird hier teilweise ein großes emotionales Spektrum gefordert. Ob zwischen Flirten auf dem Spielplatz und der verzweifelten Suche nach der kleinen Schwester, zwischen inniger Verbundenheit und grenzenloser Wut, die Stimmung kann hier schonmal in Sekundenschnelle kippen. All das gelingt den Darstellern sehr gut und glaubwürdig, was einen großen Teil zur Wirkung des Films beiträgt.

Weit weg von allen Konventionen

Ein weiterer sehr interessanter Punkt ist die Kameraführung. Wer hier klassisch deutsche, sterile und statische Einstellungen erwartet, wird eines besseren belehrt. Aus den beeindruckendsten Winkeln kommt die Kamera, fast schon experimentell wirbelt sie um die Figuren auf der Suche nach dem individuellsten Blickwinkel. Hier hat sich jemand etwas getraut und das kommt dem Film sehr zugute.

Auch soundtechnisch ist der Film alles andere ans gewöhnlich. Ob die melancholisch-künstlerischen Klänge des Soundtracks oder die leise vor sich hinflüsternde weibliche Erzählstimme, Einsamkeit und Sex und Mitleid stößt sich mit voller Kraft von gängigen Konventionen ab und geht seinen eigenen Weg. Spätestens wenn am Ende des Films dann die finale Botschaft in einer grandiosen Gesangseinlage kulminiert, hat man sich komplett in die technischen Finessen des Films verliebt.

Ein filmischer Befreiungsschlag

Einsamkeit und Sex und Mitleid (ja, der Name ist so schön, ich muss ihn schon wieder erwähnen) ist das Kino-Debut für Lars Montag, der bislang überwiegend für deutsche Fernsehkrimis verantwortlich war. Und in der Tat wirkt der Film in seiner Andersartigkeit wie eine Art Befreiungsschlag, eine Abkehr vom ewig gleichen Stil, der in Deutschland vorherrscht. Sinn macht da auch die Co-Produktion der bildundtonfabrik, die gerade mit Projekten wie dem Neo Magazin Royale neuen Wind in die Fernsehlandschaft bringt.

Montag inszeniert hier eine Satire auf hohem Niveau, ohne Angst vor Grenzüberschreitungen. Dabei spielt er auch mit Sehgewohnheiten. Während die erste Szene noch sicherlich nicht aus Zufall an die ein oder andere Edeka-Werbung erinnert, entführt er uns später an abgefahrenere Orte wie eine Kopfhörerparty oder eine 3D-Figuren-Druckerei. Zusammen mit der gelungenen Unterteilung in dem Namen gerecht werdenden Kapiteln und einiger visueller Spielereien ergibt der Film damit einen brilliant-lustigen wie bitterbösen Überblick über unsere Gesellschaft.

Fazit

Als ich am 1. April im Kino zum ersten Mal den Trailer zu Einsamkeit und Sex und Mitleid gesehen habe, war ich mir zunächst nicht sicher, ob das nicht ein deutschlandweiter Aprilscherz ist. Zu verrückt um wahr zu sein erschien mir der Trailer. Doch der Film existiert, und er macht genau das, was der Trailer verspricht: Konventionen brechen und so schonungslos deutsche und menschliche Eigenheiten aufdecken, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Ein fantastischer Film, der sicherlich nicht für jeden ist. So geht deutsche Komödie.