Die Oscars stehen mal wieder an: Heute Abend werden in Los Angeles die wichtigsten Preise der Filmbranche verliehen. Ich habe die Nominierten für die Hauptkategorie unter die Lupe genommen und in ein Ranking gepackt. Achtung: Es wird kontrovers!

Platz 9: Die dunkelste Stunde

Joe Wrights Drama über Winston Churchill ist einer dieser Filme, die beim Schauen beeindruckend wirken, aber dann doch große Schwächen offenbaren, wenn man genauer über sie nachdenkt. Theatralisch wie immer inszeniert Wright einen Churchill, der weniger historisch akkurate Persönlichkeit und mehr Verkörperung einer Idee ist. Dabei steht Churchill hier als Fels in der Brandung zwischen einem Haufen Politiker, die sich natürlich alle mit den Nazis verbünden wollen, und rettet nuschelnd, aber überzeugt die Ideale seines Landes. Dabei werden auch schon mal ein paar zufällige Passanten zu den Repräsentanten der Demokratie. Churchill wird verkörpert von Gary Oldman, der sicherlich nicht zu erkennen ist und dessen pompöses Auftreten ihm wohl auch einen Oscar bescheren wird, der aber sicher nicht die beste Darstellung des Jahres liefert. Gut aus sieht das ganze, das kann man nicht bestreiten, aber auf der Storyebene macht Wright es sich ein bisschen zu einfach.

Bewertung 6/10

 

Platz 8: Three Billboards outside Ebbing, Missouri

Irgendwie hat es Martin McDonaghs neuer Film zum Favoritenstatus auf den Oscar geschafft. Warum, ist nicht ganz klar, denn weder ist der mit ernstem Thema, aber typischem McDonagh-Humor ausgestattete Film ein typischer Oscarfilm noch ist er sonderlich fehlerfrei. Die Geschichte über Mildred Hayes, die mit Hilfe dreier Werbetafeln mit provokanten Sprüchen die Suche nach dem Mörder ihrer Tochter vorantreiben will, hat sicherlich ein einzigartiges Konzept und auch das Herz am rechten Fleck, aber gerade in der Figurenzeichnung hapert es schon ziemlich. Nachdem die beste Figur des Films nach nicht allzu langer Spielzeit abtritt, bleiben uns noch der von Sam Rockwell gut gespielte, aber schlecht geschriebene rassistische Polizist Dixon, dessen Verhalten im Verlauf des Films immer abstruser wird, und Hauptcharakterin Mildred, mit der wir klar mitfühlen sollen, was ab einem gewissen Punkt des Filmes allerdings zunehmend schwerer wird. Kein schlechter Film, aber bei weitem nicht der beste.

Bewertung 7/10

 

Platz 7: Shape of Water

Guillermo del Toro hat mit Pans Labyrinth bewiesen, dass er aus dem Konzept eines Märchens vieles herausziehen und es weiterentwickeln kann. Shape of Water wirkt hier leider wie ein Schritt zurück. Klar, der Film ist wunderschön, Sally Hawkins ist klasse, die im Zentrum stehende Liebe zwischen ihr und einem in einer Forschungsstation gefangenen Fischmonster ist großartig inszeniert. Alles was darüber hinausgeht, verfällt aber leider in recht klassische Muster. Michael Shannon spielt den klassischen Bösewicht, strikt und eindimensional, ein Abziehbild des konservativen, weißen Trumpwählers, der allerdings keine Persönlichkeit bekommt. Komplotte, ins Nichts führende Nebenhandlungen, und natürlich haufenweise Reminiszenzen an das alte Hollywood, die in diesem Film relativ fehl am Platz wirken, säumen die Hauptstory und sorgen so stellenweise für einen gewissen Frust, den ein solcher Film nun eigentlich gar nicht evozieren will.

Bewertung 7/10

 

Platz 6: Dunkirk

Nun, Dunkirk ist ein schwieriger Fall. So einwandfrei er technisch gemacht ist, sicherlich eine der beeindruckendsten Kinoerfahrungen des Jahres, so kalt und durchkalkuliert wirkt seine Story. Und das ist durchaus Absicht, Nolan inszeniert die Kriegsmaschinerie hier als wortwörtliche Maschine und die Soldaten als Zahnräder, ohne Persönlichkeit, nur da, um ihren Teil beizutragen. Das hat allerdings eine unangenehme Nebenwirkung: So flach die Charaktere inszeniert sind, so kalt lässt uns auch ihr Schicksal. Das ist eigentlich der einzige große Kritikpunkt an Dunkirk, aber je nach Erwartung wirkt er doch relativ schwer. Dass er allerdings in den meisten technischen Kategorien eher hinten in der Prognose liegt, ist allerdings schade.

Bewertung 8/10

 

Platz 5: Die Verlegerin

„Vielleicht mach ichs mir einfach, vielleicht hab ich einfach Recht.“ Dieses Zitat der Antilopen Gang hat sich Steven Spielberg (wenn auch sicherlich kein Fan der Düsseldorfer Punkrapformation) offenbar zu Herzen genommen. Denn The Post ist sicherlich alles andere als ein vielschichtiger, subtiler Kommentar, es ist ein Aufschrei. In direkter Reaktion auf den amerikanischen Präsidenten und sein Verhältnis zur Presse ist dieser Film über die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere durch die Washington Post im Jahr 1971 ein Lobgesang auf die Freiheit der Presse und ihre Unabhängigkeit von der Politik. Dabei inszeniert Spielberg den Film wie üblich sehr glatt, aber hält seinen typischen Pathos erstaunlich in Grenzen. Ein toller Cast und die charmant inszenierten Abläufe innerhalb der Zeitungsredaktion machen den Film nicht nur zu einem wichtigen, sondern auch sehr guten.

Bewertung 8/10

Platz 4: Get Out

Als älteste nominierter Film schaffte es Get Out, über das ganze Jahr hinweg seinen Hype zu tragen und nun immerhin noch Außenseiterchancen auf den Oscargewinn zu haben, obwohl man einen Horrorfilm, der das Debutwerk eines Sketchkomikers ist, an dieser Stelle wohl wirklich nicht erwartet hätte. Aber Get Out ist mehr als ein einfacher Horrorfilm, gerade in der ersten Hälfte zeichnet er auf beeindruckende Weise ein gleichsam subtiles wie unangenehmes Bild eines vorherrschenden Alltagsrassismus, der leider immernoch weit verbreitet ist. Dabei nutzt er raffiniert klassische Horrorkniffe, um durch sie seine Message zu vermitteln. Ein sehr guter Film, auch wenn ihm gegen Ende ein wenig die Luft ausgeht.

Bewertung 8/10

 

Platz 3: Lady Bird

Greta Gerwig ist seit Jahren eine besondere Erscheinung in der amerikanischen Indieszene, da wundert es nicht, dass auch ihr Regiedebut zu überzeugen weiß. Die Komödie über die Teenagerin Lady Bird, die in Sacramento aufwächst, aber davon träumt, an der Ostküste zu studieren, ist auf den ersten Blick vielleicht nur ein gewöhnlicher Coming of Age-Film, aber Gerwig trifft hier einen perfekten Ton, geht den künstlichen Dramatisierungen und Selbstverliebtheiten ähnlicher Filme gekonnt aus dem Weg, und liefert hier einen tief glaubwürdigen Film, der dazu auch noch sehr lustig ist. Dazu stimmt hier das Casting perfekt, Saoirse Ronan und Laurie Metcalf harmonieren in ihrer Disharmonie auf wunderbare Weise. Ein Film voller schöner Momente.

Bewertung 8/10

 

Platz 2: Der seidene Faden

Sicherlich nicht der zugänglichste Film des Nominiertenfeldes, was aber trotzdem kein Grund ist, ihn nach fünf Minuten abzuschalten, liebe Jennifer Lawrence. Denn Paul Thomas Anderson liefert hier seinen besten Film seit There Will Be Blood, und das mag etwas heißen. Sein Ausflug in die Modeszene der Fünfziger liefert die perfekte Kulisse für eine großartige Abschiedsveranstaltung für Daniel Day-Lewis, der hier im Endeffekt sich selbst spielt und mit Vicky Krieps ein ebenbürtiges Gegenüber bekommt. Daraus entspinnt sich eine wunderschön inszenierte, schonungslos konsequente, aber auch stellenweise humorvolle Auseinandersetzung mit Liebe und Beziehungen im Allgemeinen und gleichzeitig eine gelungene Dekonstruktion der klassischen Künstler-Muse-Beziehung. Ein großartiger Film.

Bewertung 9/10

 

Platz 1: Call me by your name

Eigentlich kann man über Call me by your name nicht viel sagen. Luca Guadagninos Buchverfilmung ist ein Erlebnis, eine perfekt bebilderte Reise in das Italien der Achtziger, das Platz bietet für den wohl schönsten und bedachtesten Liebesfilme der letzten Jahre. Ein Wahnsinnscast, Timothée Chalamet liefert die wohl beste Performance des Jahres. In allen Belangen ein wundervoller Film, der tolle Soundtrack ist da nur die Kirsche auf der Torte. Wie schön, dass homosexuelle Liebesfilme heutzutage nicht mehr nur von Konflikten und Problemen handeln müssen. Wie schade, dass das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von der Academy gewürdigt wird.

Bewertung 9/10